Tinnitus – Symptome, Ursachen und Co.

Frau leidet unter Tinnitus und bedeckt ihre Ohren mit Kissen.

Es klingelt, summt oder brummt im Ohr? Ein Tinnitus kann sich auf vielerlei Weise äußern. Fast jeder Mensch hat bereits einmal unter derartigen Symptomen gelitten1. Doch was genau ist Tinnitus eigentlich und wie entsteht er? Wer ist davon betroffen und was können Menschen mit Ohrgeräuschen dagegen unternehmen? Wir erklären es Dir!

Alles im Überblick:

Was ist Tinnitus, welche Symptome sind typisch und wer ist betroffen?

Ohrgeräusche, Ohrensausen oder Ohrenklingeln – wofür Patienten verschiedenste Bezeichnungen verwenden, kennen Fachleute als Symptom des Tinnitus aurium (oder kurz: Tinnitus). Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und heißt so viel wie „Klingeln“ – ein Hinweis darauf, wie sich die Erkrankung äußern kann. Betroffene nehmen den Tinnitus auf verschiedene Art und Weise wahr2:

  • Pfeifen
  • Summen
  • Fiepen
  • Klingeln
  • Rauschen
  • Brummen
  • Klopfen

Ein Tinnitus kann sich sowohl einseitig als auch auf beiden Ohren gleichzeitig bemerkbar machen. Einige Patienten beschreiben ein Gefühl, als käme das Geräusch aus dem Kopf. Bei anderen hingegen fühlt es sich an, als ob die Quelle außerhalb des Körpers läge2.

Häufiges Phänomen

Etwa 5 bis 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben irgendwann im Leben einmal länger anhaltende Ohrgeräusche – meistens treten die Tinnitus-Symptome nach dem 50. Lebensjahr zum ersten Mal auf1.
Hält der Tinnitus länger als 3 Monate an, gilt er als chronisch2. Das betrifft hierzulande circa 2,7 Millionen Menschen – und jährlich kommen rund 250.000 hinzu3.

Je nach Intensität und Ausprägung der Tinnitus-Symptome lassen sich verschiedene Schweregrade unterteilen2:

  • Grad 1: Es besteht kein Leidensdruck. Der Betroffene kann den Tinnitus noch leicht ausblenden.
  • Grad 2: Die Symptome machen sich vor allem bei Stille bemerkbar und wirken bei Stress störend.
  • Grad 3: Die Ohrgeräusche beeinträchtigen ständig das Privat- und Berufsleben. Emotionale, kognitive oder körperliche Beschwerden (Muskelverspannungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen) treten auf.
  • Grad 4: Die Störgeräusche lassen sich nicht mehr überdecken. Es kommt zu starken Behinderungen im Alltag, häufig verbunden mit Berufsunfähigkeit.

Der TQ12-Fragebogen hilft Dir, eine erste Selbsteinschätzung Deines Tinnitus vorzunehmen – damit bist Du schon gut vorbereitet auf einen etwaigen Arztbesuch:

Zum Tinnitus-Fragebogen

So hilft die Kalmeda-App

Die App bietet Dir eine fundierte Tinnitus-Behandlung auf der Basis einer kognitiven Verhaltenstherapie.

Ursachen: Wie entsteht ein Tinnitus?

In den meisten Fällen handelt es sich um einen sogenannten subjektiven Tinnitus – das heißt, einzig der Patient selbst kann die Geräusche wahrnehmen. Nur sehr selten kommt es zur Entstehung eines objektiven Tinnitus: Auch der Arzt kann die Ohrgeräusche dann mit dem Stethoskop hören – es handelt sich zum Beispiel um Pulsgeräusche, deren Ursache in einem verengten Blutgefäß liegt1.

Zu den Tinnitus-Arten

Die häufigste Ursache für einen akuten Tinnitus ist Lärm – das ist bei 43 Prozent der Patienten der Fall4. Die Lärmquelle kann zum Beispiel ein Knalltrauma nach einer Explosion oder einem Schuss in der Nähe sein – aber auch Personen, die oft starkem Lärm ausgesetzt sind, kann es treffen1.

Wie genau es dadurch zur Entstehung eines Tinnitus kommt, ist noch nicht vollständig erforscht. Wissenschaftler vermuten aber, dass es aufgrund von Schädigungen an den Sinneszellen in der Ohrschnecke (Cochlea) zu vermehrter spontaner Nervenaktivität kommt. Im Hörzentrum wird diese erhöhte Aktivität in eine Art „Phantomgeräusch“ umgewandelt – ähnlich wie bei Phantomschmerzen nach einer Amputation1.
Zu den weiteren möglichen Ursachen eines Tinnitus zählen1,2,4,5:

  • verstopfter Gehörgang (durch Ohrenschmalzpfropfen)
  • Mittelohrentzündungen
  • geplatztes Trommelfell
  • Hörsturz (plötzliches Einsetzen von einseitigen Hörproblemen bis hin zum kompletten Hörverlust ohne eindeutige Ursache)
  • Schwerhörigkeit im Alter
  • Kieferfehlstellungen oder Verspannungen der Kiefer- und Nackenmuskulatur
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen (beispielsweise zu hoher/niedriger Blutdruck, Herzrhythmusstörungen)
  • Stoffwechselerkrankungen (wie Diabetes oder Nierenfunktionsstörungen)
  • Hormonschwankungen (etwa in den Wechseljahren)
  • bestimmte Medikamente (zum Beispiel Antibiotika, Chemotherapie- oder Malariamittel)
  • starker Stress, Burnout und psychische Belastungen
  • psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen
  • Alkoholmissbrauch

Tinnitus ohne Ursache?

Häufig hat Tinnitus auch keine erkennbare Ursache. Experten sprechen dann von einem sogenannten primären oder idiopathischen Tinnitus – in etwa 45 Prozent der Fälle kommt dieser vor4.
 

Hörverarbeitung und Tinnitus: Der Zusammenhang

Hören ist nicht gleich Hören: Der Prozess läuft in zwei Phasen ab. Zunächst geschieht das sogenannte periphere (auditive) Hören über die Ohren. Dem schließt sich das zentrale Hören an, welches im Gehirn abläuft und sich wiederum unterteilt in:

 

  1. Hörverarbeitung: Das Gehirn nimmt unbewusst akustische Signale wahr – und zwar ständig, auch im Schlaf.
  2. Hörwahrnehmung: Hier erfassen wir Geräusche bewusst und deshalb ausschließlich im Wachzustand.

Zentrales Hören umfasst also kurz gesagt das Aufnehmen, Weiterleiten, Verstehen, Erfassen und Einordnen von Geräuschen.

Was haben Hörverarbeitung und Hörwahrnehmung mit Tinnitus zu tun?


Die Hörverarbeitung findet auf mehreren Ebenen statt und ist in verschiedenen Teilen des Gehirns eng verknüpft. Vor allem das vegetative Nervensystem, das uns bei drohender Gefahr schnell in Alarmbereitschaft versetzt, steht mit ihr in enger Wechselwirkung.

Ungewöhnliche oder potenziell bedrohliche Geräusche, wie das nächtliche Knarren einer Tür oder ein plötzlich auftretender Tinnitus, lösen deshalb eine Stressreaktion aus. Gleichzeitig verliert die Hörverarbeitung ihre Sortierfunktion und beginnt, die störenden Geräusche zu verstärken. Möglichst viele Informationen sollen so die effektive Abwehr der Gefahr ermöglichen. Eine Verschlimmerung des Tinnitus und eine Hyperakusis (Geräuschüberempfindlichkeit) sind dann häufig das Ergebnis.

Mit einem Tinnitus wird zudem oft ein Teufelskreis in Gang gesetzt: Das unangenehme Geräusch in den Ohren zieht die Aufmerksamkeit auf sich und provoziert negative Gedanken. Diese wiederum verursachen Stress und verstärken damit den Tinnitus. Das Geräusch erhält noch mehr Aufmerksamkeit und produziert noch mehr Stress. Dieser ist daher sowohl Ursache als auch Folge des Tinnitus.

Ziel der Therapie ist es, genau diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Deshalb ist eine aktive Mitarbeit bei der Therapie äußerst wichtig.
 

Teufelskreis Tinnitus: Das Ohrgeräusch löst Stress aus, wodurch sich der Tinnitus verschlimmert.
Teufelskreis Tinnitus: Das Ohrgeräusch löst Stress aus, wodurch sich der Tinnitus verschlimmert.

So durchbrichst Du den Tinnitus-Teufelskreis!

Die Behandlung eines Tinnitus kann auch nach vielen Jahren noch erfolgreich gelingen: Ob das Ohrgeräusch als störend empfunden wird, ist in erster Linie eine Frage der Einstellung und somit eine kognitive Leistung. Die Hörverarbeitung, die maßgeblich an der Wahrnehmung eines Ohrgeräusches beteiligt ist, lässt sich positiv beeinflussen.

Dazu bedarf es eines individuellen Vorgehens aus aufeinander abgestimmten Therapiebausteinen. Schrittweise führt dieses dann dazu, dass Betroffene lernen, den Tinnitus zu bewältigen, statt von ihm überwältigt zu werden. Neben der Wissensvermittlung sind die wichtigsten Therapiebausteine:

  1. kognitive Verhaltenstherapie zur Veränderung der Einstellung gegenüber dem Tinnitus
  2. Entspannungsübungen zur Beruhigung des vegetativen Nervensystems
  3. akustische Maßnahmen zur direkten Beeinflussung der Hörverarbeitung

Da es sich bei allen Maßnahmen um Lernprozesse handelt, dauert die Behandlung eines chronischen Tinnitus mehrere Monate6. Der Fortschritt der Behandlung hängt vor allem von der Kontinuität und Intensität der Therapiemaßnahmen ab.

Anhaltendes Pfeifen im Ohr – wann solltest Du mit Tinnitus zum Arzt gehen?

Du hast zum ersten Mal ein Ohrgeräusch? Erst einmal: keine Panik. Ein akuter Tinnitus verschwindet in der Regel nach wenigen Stunden wieder von selbst7. Wenn der plötzliche Tinnitus jedoch länger anhält oder mit Hörstörungen und Gehörlosigkeit einhergeht, solltest Du zum Arzt gehen. Schiebe den Arztbesuch nicht auf, denn je eher Du die Behandlung startest, umso größer ist die Chance auf Heilung.

Der richtige Ansprechpartner ist ein HNO-Arzt. Und so läuft die Tinnitus-Diagnose ab:

  • ausführliches Gespräch: Der Arzt befragt Dich zu verschiedenen Aspekten – beispielsweise Zeitpunkt des Auftretens, Intensität, Charakteristik und Dauer des Tinnitus sowie Begleitbeschwerden wie eine Hörminderung oder Schwindel.
  • körperliche Untersuchung: Anschließend untersucht er den Ohrenbereich genauer. Bei einer Ohrmikroskopie betrachtet der Mediziner die äußeren Gehörgänge und das Trommelfell mithilfe eines speziellen Mikroskops. So erkennt er zum Beispiel Verstopfungen, Entzündungen oder Verletzungen im Ohr.
  • Hörtests: Zudem stellt der HNO-Arzt mithilfe   von verschiedenen Hörtests fest, ob eine Schädigung des Mittel- oder Innenohres vorliegt. Anhand der Schilderung des Betroffenen kann er auch den Schweregrad des Tinnitus diagnostizieren.

Einen geeigneten Tinnitus-Experten zu finden ist meist nicht so einfach. Unsere Arztsuche kann helfen, einen Arzttermin zu vereinbaren.

Frau mit Tinnitus-Beschwerden bei der ärztlichen Untersuchung.
Der Schweregrad eines Tinnitus wird anhand verschiedener Hörtests ermittelt

Tinnitus – nicht nur ein Fall für den HNO-Arzt!

Ist die Ursache für den Tinnitus eine andere Erkrankung (Fehlstellungen der Halswirbelsäule, Herz-Kreislauf-Schwäche, Burnout), verweist der HNO-Arzt Dich zur Diagnose und Behandlung womöglich an Kollegen eines anderen Fachbereichs wie beispielsweise Orthopäden, Internisten oder Psychotherapeuten.

Was hilft gegen das Piepen im Ohr bei Tinnitus?

Bei der Tinnitus-Behandlung kommt es vor allem auf die Ursache für das Piepen im Ohr an. Liegt beispielsweise eine Erkrankung zugrunde, gilt es diese zu behandeln – in der Regel verschwindet damit dann auch das Ohrgeräusch wieder1.

Gibt es keine behandelbare Ursache, zielen die Therapiemaßnahmen darauf ab, die Hörverarbeitung dazu zu bringen, das lästige Ohrgeräusch herunterzuregeln, statt es zu verstärken. Das gelingt zum einen über eine Hörverbesserung, wenn bereits eine Hörminderung vorliegt. Zum anderen durch eine kognitive Verhaltenstherapie.

Sie hilft, die Reaktion von Stress- und emotionalem System auf den Tinnitus so zu verändern, dass das Geräusch immer mehr in den Hintergrund tritt und die Belastung schon nach relativ kurzer Zeit sinkt. Denn das Problem beim Tinnitus ist nicht das Geräusch selbst, sondern erst die unterbewusst ablaufende Reaktion auf das Ohrgeräusch.

Es gibt also einige Maßnahmen zur Selbsthilfe, die Du gegen das Pfeifen im Ohr unternehmen kannst. Trotzdem ist die Heilung eines Tinnitus – vor allem in chronischen Fällen – manchmal unmöglich, denn die zugrunde liegenden Schäden des Innenohres sind häufig irreversibel. Mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen gelingt es jedoch, auch einen chronischem Tinnitus wieder auszublenden, sodass er im Alltag immer seltener stört.

Wie gefährlich ist ein Tinnitus?

Der Tinnitus selbst ist ungefährlich und weist normalerweise auf keine ernste Erkrankung hin. Die Einschränkungen und Folgen, die aufgrund der Ohrgeräusche entstehen können, sind dennoch nicht zu unterschätzen.

Manche Betroffene sehen sich durch das ständige Piepen im Ohr kaum noch in der Lage, private und berufliche Herausforderungen zu bewältigen. Sie leiden vor allem vermehrt unter psychischen und psychosomatischen Beschwerden wie2:

  • Angststörungen
  • Depressionen
  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsproblemen
  • Hilflosigkeit und Kontrollverlust

Umso wichtiger ist es daher, dass sich Menschen mit Tinnitus nicht einfach mit ihrem Schicksal abfinden, sondern sich an einen Arzt wenden und eine wirksame Therapie beginnen.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Thema Tinnitus

Ohrgeräusche wie Piepen, Rauschen, Pochen, Klopfen, Klicken oder Brummen bezeichnen Fachleute als Tinnitus. Sie können entweder vorübergehend auftreten oder dauerhaft bestehen bleiben.

Es gibt verschiedene Ursachen für einen Tinnitus. Neben Lärm und einer fehlerhaften Hörverarbeitung sind das zum Beispiel Ohrenentzündungen, bestimmte Medikamente, Stress oder psychische Erkrankungen.

Die meisten Ohrgeräusche verschwinden nach ein bis zwei Tagen von allein7. Wenn der Tinnitus jedoch länger anhält, schlimmer geworden ist oder Hörstörungen hinzukommen, solltest Du frühzeitig zum HNO-Arzt gehen.

Das hängt von der Ursache des Ohrgeräuschs ab. Besonders in chronischen Fällen kommt es auf den Umgang mit dem Tinnitus an. Durch verschiedene Maßnahmen lernst Du, das Geräusch in den Hintergrund treten zu lassen und weniger stark als Belastung wahrzunehmen.

Das Ohrgeräusch an sich ist ungefährlich. Allerdings führt es bei vielen Betroffenen zu psychischen Belastungen. Das kann so weit gehen, dass sie Schwierigkeiten haben, ihren Alltag zu bewältigen.

Auf das auditive Hören über das Ohr folgt das zentrale Hören im Gehirn: Dabei laufen Hörverarbeitung und Hörwahrnehmung parallel. Erstere erfolgt unterbewusst, Letztere bewusst. Sie umfassen Aufnahme, Weiterleitung, Verstehen, Erfassen und Einordnen von Geräuschen.